„Dozenten haben unterschiedlich viel Bock auf die Lehre.“ Das sagt man gerne unter Studis. Unterstellt wird mit dieser Aussage, dass viele Profs und Dozierende viel lieber forschen würden und die Lehre eher als lästige Pflicht empfinden. Aber ist das wirklich so? Ein Gespräch mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter der RPTU hat mich diese Sichtweise überdenken lassen.
Freitagmitag in Landau. Die Sonne scheint, ich sitze draußen vor der Cafeteria am Campus Landau an einem Tisch für mich. Ein Mann mittleren Alters mit sauber gestutzem Bart, Brille und Pferdeschwanz nähert sich meinem Tisch mit einem Essenstablett. Er fragt, ob der Tisch noch frei sei. Ich bejahe und füge hinzu, dass bald vielleicht noch ein paar Freunde hinzukommen.
Ich wünsche guten Appetit. Er hört weder Musik, noch schaut er in auf sein Handy. Nach etwas Schweigen fange ich ein Gespräch an: „Sind sie hier wissenschaftlicher Mitarbeiter?“ Er bejaht und erzählt, dass er in der Germanistik seit vielen Jahren angestellt ist. Wir sprechen über die Arbeitsbedingungen als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Deutschland und das Wissenschaftszeitgesetz. Ich lerne hinzu, dass man nach der Promotion noch einmal sechs Jahre befristet an öffentlichen Hochschulen angestellt werden kann.
Schließlich wechselt das Gespräch etwas zu mir und meiner Studierendentätigkeit. Ich erzähle, dass ich Psychologie studiere, was ich vorher gemacht habe und wie es mir in Landau gefällt. Schließlich sage ich: „Profs haben ja auch unterschiedlich viel Lust auf die Lehre“. Nachträglich realisiere ich, dass bei diesem Satz sein Gesicht für den Bruchteil einer Sekunde entgleist. Was mir in dem Moment auch nicht klar ist, ist, dass er als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit nahezu hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit selbst in der Lehre tätig ist.
Unterbewusst ist mir klar, dass ich gerade in ein Fettnäpfchen getreten bin. Ich frage ihn, ob er selbst in der Lehre tätig ist. Er bejaht und spricht über seine eigenen Erfahrungen in der Lehre und wie er sich erst damit anfreunden musste. Vor allem aber nimmt die Position von Professoren und Professorinnen in Schutz. Er spricht über deren zahlreichen Aufgaben: von der Betreuung von Abschlussarbeiten, Betreuung von Doktoranden, administrativen & bürokratischen Tätigkeiten, Modulentwicklungen, eigener Forschung, bis hin zur Lehre. Er versucht mir freundlich zu sagen, dass Professoren und Professorinnen mit großer Wahrscheinlichkeit einfach sehr viel anderes zu tun hatten, wenn sie bei einer Vorlesung wenig vorbereitet wirken. Selbst wenn sie prinzipiell der Lehre einen hohen Wert zuschreiben.
Meine Freunde kommen zum Tisch, um mit mir in die Mensa zu gehen. Ich muss mich verabschieden und bedanke mich für das Gespräch.
Auch wenn es nur wenige Minuten gedauert hat, das Gespräch lässt mich nicht los. Ich denke viel darüber nach. Ich hatte schon als HiWi in Gießen und Landau mit wissenschaftlichen Mitarbeitern und auch mit Profs zu tun. Aber ein Gespräch dieser Art habe ich vorher nie geführt. Es verändert meinen Blick auf die Lehre an der Universität. Natürlich ist das Wissen um die vielen Aufgaben von Profs keine Universalerklärung, die alles verständlich macht. Aber ich denke, es ist hilfreich, sich in die Perspektive des Gegenübers hineinzusetzen, um so etwas verständnisvoller agieren zu können. Ich gehörte nie zu den Studenten, die die Lehre sehr scharf kritisiert haben. Aber dieses Gespräch hat mich vieles noch einmal überdenken lassen.